Social Movement-Pattern Analysis (SoMA). Analyse studentischer Bewegungsprofile in Koblenz.

Veröffentlichung

Zentrale Ergebnisse dieses Forschungsprojektes wurden mit etwas veränderte Fragestllung in der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung (https://content.sciendo.com/view/journals/rara/rara-overview.xml) veröffentlicht; Den Artikel finden Sie unter: DOI: https://doi.org/10.2478/rara-2019-0027

Ausgangssituation

Aktuell leben in der Stadt Koblenz 113.197 Einwohner (KoStatIS 2017, S. 3). Gleichzeitig studieren im Einzugsgebiet Koblenz mehr als 18.000 Personen (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2016, S. 9).[1] Ein verhältnismäßig hoher Zuzug junger Menschen im Alter zwischen 25 bis unter 35 Jahre führte auch dazu, dass der Ökonom Harald Simons Koblenz 2015 zu den Schwarmstädten Deutschlands zählte (vgl. Eisenring 2016). Trotz dieser verhältnismäßig großen Anzahl an Studierenden sind Studentinnen und Studenten mit wenigen Ausnahmen (Kaleidoskop, Confluentes-Festival und diverse andere kleinere Veranstaltungen) im Koblenzer Stadtbild und Kulturleben kaum sichtbar. Das führt dazu, dass ein Großteil der Studierenden sich weder materiell noch ideell langfristig an Koblenz bindet, was sich auch in einer Analyse des Schwarmcharakters der Stadt zeigte: »Von den 1.355 18- bis unter 25-Jährigen, die 2011 nach Koblenz gezogen und am 31.12.2011 dort registriert waren, sind fast 60 % innerhalb der folgenden vier Jahre wieder fortgezogen.« (KoStatIS 2016, S. VII). In Zeiten eines »Alterns der Gesellschaft« (Schäfers und Zapf 2001, S. 1–11) ist die dauerhafte Bindung junger Menschen an eine Stadt häufig Ziel kommunalpolitischer Bestrebungen; so auch in Koblenz.

Forschungsgegenstand

Vor der Herausforderung der Integration von Studenten in das Stadtleben stehen auch andere Städte. In Coburg beispielsweise wurde anhand von Studentenbefragungen und Experteninterviews nach der Lebensqualität der Studierenden als Ursache der fehlenden Integration geforscht (Amiani et al. 2011). Unser Forschungsvorhaben setzt an solchen Konzepten an und erweitert diese um die Dimension der ‚Bewegung‘ (,Movement’). Um zu verstehen, welche Faktoren bestimmte Freizeitangebote, Einkaufsmöglichkeiten oder andere Orte der Vergemeinschaftung erfüllen müssen, muss vorerst ermittelt werden, welche Orte von Studierenden in der Stadt Koblenz überhaupt aufgesucht werden. Unser Forschungsprojekt fragt deshalb danach, welche Orte Koblenzer Studierende aufsuchen, um welche (kulturellen) Orte es sich dabei handelt und ob Koblenzer Studierende überhaupt Berührungspunkte mit innerstädtischen Angeboten haben.

Forschungsnutzen

Für die Nachzeichnung der besuchten Orte wurde eine Applikation (APP) für Mobilfunkgeräte entwickelt, die individuelle Daten über einen Fragebogen erfasst und die Bewegungsdaten der Probanden aufzeichnet. In einer Analyse der so gesammelten Daten werden dann typische Bewegungsprofile und häufig frequentierte Orte bestimmt. Sind die geographischen Orte erst einmal ermittelt, kann anhand qualitativer Beobachtungen eine Typologie der von Studierenden favorisierten Lokalitäten erstellt werden. Wie sehen die Orte aus, an denen sich Studierende gerne und oft aufhalten? Wie unterscheiden sie sich von anderen Orten? Wie muss ein Ort aussehen, damit er für Studenten und Studentinnen attraktiv ist? Die so ermittelten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen also der Stadt nicht nur wo sie durch eine gezielte Förderung die Lebensqualität der Studierenden fördern kann, sondern auch wie insgesamt die innerstädtische Attraktivität für diese Zielgruppe erhöht werden kann.

Weitere Forschungsfragen

Zur Sondierung des Forschungsfeldes kann auf Basis der Bewegungsprofile auch ermittelt werden, wie sich die Wohnorte der Studierenden innerhalb von Koblenz und in der Umgebung verteilen. Gibt es mehr Studierende, die in der Stadt wohnen oder pendeln viele zu ihrer Hochschule/Universität? Und wohnen die Koblenzer Studierenden eher in der Innenstadt oder eher in den äußeren Stadtteilen (z.B. in Metternich oder auf der Karthause)? In einem zweiten Schritt kann danach gefragt werden, inwieweit sich die Lebenswelt der Studierenden überhaupt auf das Koblenzer Stadtleben konzentriert. Erledigen Studierende ihre Einkäufe eher in innerstädtischen Läden oder suchen sie die Gewerbegebiete außerhalb der Stadt auf? Welche Freizeitangebote nutzen sie? Verbringen sie ihre Wochenenden in der Stadt oder fahren viele eher in ihre Heimat und leben nur die Woche über in Koblenz?

Methode

Fragen dieserart können ohne größere Schwierigkeiten mit Hilfe von Fragebögen erfasst werden. Im Gegensatz zu traditionellen Erhebungsmethoden werden die für unser Forschungsziel relevanten Merkmale direkt durch die speziell für das Forschungsprojekt entwickelten APP erfasst. Neben der Abfrage individueller Merkmale ist die Hauptunktion dieser APP allerdings die Aufzeichnung des Bewegungsprofils der Probanden. Die Software besteht aus drei Komponenten: (1) Applikationen für Mobilfunkgeräte (Android und iOS) zur anonymisierten Erfassung der Ortsdaten der Probanden. (2) Ein Server als Endpunkt zum Empfangen der Daten, ihrer Weiterverarbeitung und Speicherung in entsprechenden Datenbanken (u. a. PostgreSQL mit ArcGIS). (3) Ein Web-Interface zur Analyse und Auswertung der aggregierten Daten. Jede von den mobilen Clients erfasste Positionsangabe enthält verschiedene Informationen wie Längengrad, Breitengrad, Geschwindigkeit, Höhe über Null, Genauigkeit, Kurs und einen Zeitstempel.

Literaturverzeichnis

[1] Amiani, Sylvia I. L.; Schwamb, Nicole; Hammer, Veronika (2011): Studentische Lebensqualität und Lebensstile. Wohnen, Mobilität, Soziales Freizeit und Berufschancen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[2] Eisenring, Christoph (2016): In Deutschlands „Schwarmstädten“. Wo es junge Menschen hinzieht. In: NZZ, 08.08.2016. Online verfügbar unter https://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/wo-es-junge-menschen-hinzieht-in-deutschlands-schwarmstaedten-ld.109558, zuletzt geprüft am 28.01.2017.
[3] KoStatIS (2016): Statistischer Quartalsbericht der Stadt Koblenz. 3. Quartal 2016. Sonderbeitrag: Ist Koblenz eine Schwarmstadt. Koblenz. Online verfügbar unter https://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Quartalsbericht/infoblatt_58_2016.pdf, zuletzt aktualisiert am 26.01.2017.
[4] KoStatIS (2017): Monatliche Bevölkerungszahlen Dezember 2016. Mit einem Überblick über die demographische Entwicklung in Koblenz im Jahr 2016. Koblenz. Online verfügbar unter http://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Bevoelkerung/infoblatt_03_2017.pdf, zuletzt geprüft am 26.01.2017.
[5] Schäfers, Bernhard; Zapf, Wolfgang (Hg.) (2001): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. 2., neu bearbeitete Aufl. Bonn, Opladen: Leske + Budrich.
[6] Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (2016): Studentinnen/Studenten sowie Gasthörerinnen/Gasthörer an Hochschulen im Wintersemester 2015/16 Haupthörerinnen/Haupthörer und Nebenhörerinnen/Nebenhörer. Online verfügbar unter https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/berichte/test/B3013_201600_1j_L.pdf, zuletzt geprüft am 26.01.2017.